

In der Kaiserstraße 60 steht heute das Amtsgericht, doch früher diente dieser Ort als Sammelstelle für die Hildesheimer Juden.
Am 23.09.2015 wurden die Geschehnisse von 1942 nochmal ins Gedächtnis gerufen. Im Rahmen des Volkshochschulprojektes “Vernetztes Erinnern” sollen die Spuren der nationalsozialistischen Herrschaft vor Ort sichtbar gemacht werden. Also wurde zusammen mit der Robert-Bosch-Gesamtschule ein Pavillon mit Leinwand und Lautsprechern mitten auf den Bürgersteig der Kaiserstraße gestellt, direkt neben eine voll befahrene Kreuzung. Ein ungewöhnlicher Standort für eine ungewöhnliche Situation, so Wilfried Kretschmer in seiner Begrüßung. Im Hintergrund hätte sich die Situation abgespielt, der Baum sei sogar noch derselbe.
Wilfried Kretschmer während seiner Rede
“Das Positive hat gewonnen, jedoch sollte man das Negative nie außer Acht lassen” und sich so auch an die Schattenseiten der Vergangenheit erinnern, damit es sich niemals wiederholen kann.
Aus diesem Grund wurde das Projekt “Vernetztes Erinnern” ins Leben gerufen und die Veranstaltung “Sammelstelle – Szenische Lesungen und Erinnerungsstele” machte den Beginn. Ihr werden in den nächsten Monaten noch vier Projekte folgen.
Wilfried Kretschmer stellte zum Schluss seiner Rede die Filmszene vor, die später gezeigt werden sollte. Diese besteht zwar nur aus “kurzen, banalen” Szenen, jedoch hatte es Schüler- und Lehrerschaft beim ersten Ansehen die Sprache verschlagen.
Klaus Schäfer
Klaus Schäfer von “Vernetztes Erinnern” wies außerdem auf die Erinnerungsstele hin, die vor Ort errichtet wurde. Diese erzählt die Geschichte um den Film herum und verweist per QR-Code auf weitere Informationen. Außerdem erwähnte er in seiner Ansprache auch noch die anderen antisemitischen Verbrechen in Hildesheim.
Tarek Oppel und Jan-Eric Bewer, beide Schüler unserer Schule, gingen danach nochmal genauer auf den Vorgang des Transports ein und gaben damit Input zu dem Film, der im Anschluss gezeigt wurde:
Die Fotos und die kurze Filmsequenz zeigten den Ablauf der ersten Deportationen vom 27. März 1942 von Hildesheim nach Warschau.
Filmvorstellung
Nachdem sie einen Brief erhalten hatten, mussten die Hildesheimer Juden am Tag der Deportation in die Polizeikaserne einfinden, wo sie sich einer Leibesvisitation unterziehen mussten. Um den Ablauf zu vereinfachen, wurden sie vorher enteignet, die restlichen Wertsachen wurden ihnen schließlich auch noch bei der Kontrolle weggenommen und die Kosten für den Transport in Rechnung gestellt. Insgesamt 241 Juden wurden aus Hildesheim abtransportiert. Untergebracht wurden sie zunächst in der jüdischen Gartenbauschule Ahlem, danach fuhren sie mit einem völlig überfüllten Zug nach Warschau. Die Deportierte Liselotte Rosenbaum beschrieb den Transport so: “Am Dienstag ging der Zug, von dem man nicht wusste, wohin er uns führen würde. Wir warteten fünf Stunden im strömenden Regen auf dem Güterbahnhof und dann fuhren wir zwei Tage in dem nassen Zeug und eines Morgens standen wir in Warschau auf dem Umschlagbahnhof. Und dann begann das Jahr unseres Leidens”.
Keiner dieser Hildesheimer hat den Transport und die anschließenden Folgen überlebt.
Die Filmszenen dauerten nur ein paar Minuten und trotzdem trat unter den Zuschaueren fassungsloses Schweigen auf. Versammelt hatten sich ein paar Gesellschaftskurse, die Schulleitung und “Vernetztes Erinnern”-Mitglieder, außerdem Bürgermeister Ekkehart Palandt und Landtagsabgeordneter Bernd Lynack.
Den Abschluss der Veranstaltung leitete die Schülerin Larglinda Haliti ein. Sie gab dem Publikum einen Einblick in das Leben und Schicksal von Ilse Rosenthal. Diese wurde mit 20 Jahren deportiert und ermordet, denn ihr Vater verstarb früh und alleinstehenden Frauen war eine Flucht kaum möglich.
So erinnerte die Veranstaltung an die grausamen Taten vor 63 Jahren und führte durch die Filmabschnitte die Geschehnisse nochmal erschreckend nahe vor Augen. Die Filmleinwand stand zwar nur einen Nachmittag dort, die Gedenkstele wird ab jetzt jedoch immer ein Zeichen der Erinnerung setzen.