

Wie jedes Jahr fuhr der zehnte Jahrgang am Anfang des Schuljahres auf eine Abschlussfahrt, auch wenn sie, genaugenommen Anfangsfahrt heißen müsste. Immerhin ist sie ja am Anfang des Jahres. Aber darum geht es dabei nicht, sondern darum, dass mit dieser Fahrt unser letztes Schuljahr als Klasse beginnt. Deshalb Abschlussfahrt.
Für uns und die 10.4 ging es in der ersten richtigen Schulwoche also nicht in die Schule, sondern im Bus nach Stralsund, einer Hafenstadt in der Nähe der beliebten Insel Rügen. Während sich die anderen Jahrgänge durch endlose Doppelstunden quälten, saßen wir also etwa sechs Stunden in einem Reisebus und freuten uns auf die Woche – immerhin war es nach Malente und Aarö unsere dritte und letzte Klassenfahrt.
Gegen 14.30 Uhr erreichten wir also, die meisten vollkommen geschafft und müde, denn auch Herumsitzen und nichts tun kann anstrengend sein, unser Ziel: Eine Jugendherberge bestehend aus einigen einzelnen Häusern, direkt am Strand. Unser Empfangskomitee bildeten Frau Thormeier, die im Gegensatz zu Frau Werner, Frau Brunken-Harms und Herrn Johnsdorf mit dem Auto und nicht im stickigen Bus mit uns Schülern angereist war, und Regen. Die Zimmereinteilung konnte also nicht schnell genug gehen. Wie schon erwähnt besteht die Jugendherberge aus einzelnen Häusern. Die 10.4 bezog insgesamt drei Häuser und wir bekamen ein Haus mit insgesamt acht Zimmern (drei Jungen- und drei Mädchenzimmer und jeweils ein Zimmer für Frau Werner und Frau Thormeier) auf einem Flur. Die Zimmer waren alle in etwa gleich eingerichtet und sahen so aus, wie man sich normale Zimmer in einer Jugendherberge vorstellt: Sechs Schränke, drei Stockbetten, ein Tisch, ein paar Klappstühle und ein Waschbecken mit Spiegel. Nachdem wir uns vollständig eingerichtet, die Betten bezogen und erfolgreich verhindert hatten, frühzeitig einzuschlafen, machten wir einen kurzen Spaziergang am Strand, der ungefähr einen Meter breit war. Wir liefen also etwa eine halbe Stunde lang über den kleinen, niedlichen Strand, bis es endlich Zeit für das Abendessen war: Nudeln mit Soße. Das Essen war, genau wie die Zimmer, so, wie in jeder Jugendherberge. Ging so. Aber auch das konnte unsere gute Laune nicht vertreiben, denn, verdammt nochmal, das hier war unsere Abschlussfahrt! Und um das auch so beweisen, machten wir genau das, was man am ersten Abend einer Abschlussfahrt macht. Genau. Wir spielten Werwolf (Für alle, die das Spiel nicht kennen: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Werw%C3%B6lfe_von_D%C3%BCsterwald). Irgendwann wurde der Flur leerer, die Zimmer wurden voller und wir bekamen den Schlaf, den wir definitiv verdient hatten.
8.15 Uhr. Das war nur eine der wenigen Uhrzeiten, die wir uns merken mussten. Aber diese war bei weitem die wichtigste, denn genau dann fing das Frühstück an. (Relativ) ausgeschlafen und (nicht so wirklich) motiviert fand sich einer nach dem anderen im Essenssaal ein. Auf unserem Plan für diesen Tag stand ein Besuch im berühmten Ozeaneum („Das ist doch so wie das Sea Life, oder?“ „Joa.. keine Ahnung.“ „So ‘nen Museum halt.“ „Wie jetzt, ohne Aquarien?“) und eine Fahrt mit einem Drachenboot. Dazu aber später mehr.
Nach einer kurzen Busfahrt fanden wir uns gegen zehn im Ozeaneum ein. Wie der Name schon sagt ist dieses Gebäude in etwa so wie ein normales Museum, mit dem Unterschied, dass sich dort keine toten, sondern lebende Tiere befanden. Dieses außergewöhnliche Museum wurde im Juli 2008 eröffnet und hat sich auf die Kaltwassermeere der Welt und deren Bewohner spezialisiert. In insgesamt fünf Dauerausstellungen ( „Weltmeere – Vielfalt des Lebens“, „Ostsee – das Meer in unserer Mitte, Erforschung und „Nutzung der Meere, Meer für Kinder“ und „1:1 Riesen der Meere“) und gelegentlich Sonderausstellungen, alle verteilt in diesem riesigen Gebäude, können die etwa 600.000 Besucher, die jedes Jahr das Ozeaneum besuchen, die verschiedensten Arten Fische bestaunen und beobachten. Von Quallen über Flundern bis zu Pinguinen reicht die Artenvielfalt des Museums und es wird einem recht schnell klar, weshalb dieses Gebäude 2010 als Museum des Jahres ausgezeichnet wurde: das Ozeaneum ist wirklich einzigartig und wunderschön, vor allem wenn man genug Zeit mitgebracht hat. Zeit hatten wir auf alle Fälle, aber die nutzten wir zum Großteil für eine Rallye, die wir in Gruppen mit jeweils drei Leuten innerhalb von zwei Stunden bearbeiten sollten. So hatten wir zwar die Möglichkeit, sehr viel in sehr kurzer Zeit zu lernen, aber wirklich Zeit, die Aquarien zu beobachten, fanden wir nicht, immerhin war das Gewinnen einer solchen Rallye natürlich ein Muss. Nach diesen zwei stressigen Stunden verbrachte die Hälfte der Klasse ihre übrige Zeit damit in der letzten Ausstellung zu liegen. Diese bestand aus einem riesigen Raum, in dem einige Liegen standen. An Seilen befestigt hingen lebensgroße Modelle vier verschiedener Wale. Drei Mal pro Stunde hatte man die Möglichkeit, einen etwa zehn Minuten langen Vortrag über diese Giganten zu hören und genau das taten wir auch, gleich drei Mal hintereinander. Danach machte sich etwa die Hälfte der Klasse auf den Weg zur Anlegestelle unseres Drachenbootes. Drachenboote kenne ich von den Wikingern und ich habe immer dieses Bild von einem großen Holzboot vor Augen, doch ganz so cool war unser Boot dann doch nicht. Eigentlich sah es aus wie ein großer Kanadier, in dem für etwa 20 Personen Platz war. Bei einer Fahrt nicht unterzugehen, wirkt auf einen bei dieser Größe doch sehr unwahrscheinlich, aber wir haben es tatsächlich geschafft, dass wir nur gelegentlichen Spritzern ausgesetzt waren, während wir mit Frau Werner und einem netten Herrn, der quasi der einzige war, der wusste, was wir machen mussten, durch den Hafen fuhren. Etwa eine Stunde, viele Informationen über Stralsund und vor allem den Hafen, einigen Beschwerden („Dein Paddel muss da weg!“ „Jetzt mach doch mal!“ „Du zählst schon wieder zu weit, wir zählen nur bis zehn!“) und endloses bis-zehn-Gezähle später, kamen wir wieder am Steg an. So ganz wie Wikinger haben wir uns zwar nicht gefühlt, aber trotzdem waren wir nichts ins Wasser gefallen und das ist bei unserer Klasse schon mal eine Leistung. Von hier aus wurden wir von der zweiten Gruppe abgelöst und wir verbrachten den restlichen Nachmittag in Kleingruppen in der Stadt oder fuhren zurück zu der Jugendherberge.
Am nächsten Tag hatten wir wieder etwas mehr Zeit zum Ausschlafen. Gegen halb Neun gab es Frühstück und danach hatten wir weiterhin Freizeit. Erst gegen 12 Uhr ging für uns heute das Programm los: eine Stadtführung durch Stralsund und zwar mit Frau Thormeiers Onkel, der dort wohnt. Wir bekamen also nicht nur auswendig gelernte Fakten, sondern sogar ein paar Insider Informationen. Die Tour startete an einem der zwei Marktplätze Stralsunds. Eine der vielen Besonderheiten Stralsund lässt sich genau an diesem Ort ziemlich gut ausmachen: Stralsund ist wirklich sehr alt und genau das spiegelt sich auch in den Gebäuden wieder. Nebeneinander stehen Häuser aus den verschiedensten Epochen, alle mit anderen typischen Merkmalen für die Zeit, in der sie erbaut wurden. Aufgrund dieser Vielfalt wurde die Altstadt 2002 zu einem UNESCO Weltkulturerbe bestimmt. Unser Weg führte uns durch das alte Rathaus, das früher als Markthalle diente. Generell war quasi jedes Gebäude in Stralsund irgendwann mal eine Markthalle oder ähnliches. Sogar die riesigen Kirchen, die man überall sieht, wurden vor allem als Viehmärkte genutzt. Der Handel war in dieser Stadt schon immer ein besonders wichtiger Faktor, weshalb auch die Märkte und die Hallen riesig waren. Die Kirchen, die damals erbaut wurden, waren zu der Zeit kleine Wunder und die Bewohner der Stadt haben immer wieder versucht, immer höher zu bauen, bis eine Kirche halb einstürzte. Wenn rechnen also nicht funktioniert, kann man auch einfach ausprobieren. Hat ja schließlich auch geklappt. Stralsund war nicht religiöser als die anderen Städte zu der Zeit, was also nicht die große Anzahl der Kirchen erklärt. Viel eher sind diese Gebäude Prestige-Objekte. Stralsund hatte durch den Handel viel Geld und so konnte man sich den Bau dieser Kirchen leisten. Je reicher eine Stadt, desto schöner und größer die Kirchen. Nachdem wir uns den Nacken verrenkt hatten, um auch wirklich das gesamt Ausmaß einer dieser Kirchen betrachten zu können, führte Herr Thormeier uns weiter auf die Fährstraße, die eine direkte Verbindung zum Hafen ist und auch früher schon war. Zur Zeiten der Hanse war diese Straße die wichtigste in Stralsund. Wie am Marktplatz stehen hier auch viele alte Häuser, unter anderem auch das des Erfinders des bekannten Bismarckherings und das des Chemikers Karl Wilhelm Scheele, der das Element Sauerstoff entdeckt hat.
Wir folgten der Straße bis zum Hafen, der zum Teil vor einiger Zeit künstlich aufgeschüttet wurde. Der Hafen spielt in der Geschichte Stralsunds eine wichtige Rolle. So war dieser Punkt zum Beispiel eine der vielen Grenzzonen während der Zeiten der DDR und auch die Gorch Fock, die 1932 erbaut wurde, liegt hier. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Schiff ein paar hundert Meter vor dem Hafen versenkt und dann schließlich von den Russen nach Russland transportiert. Irgendwann wurde das Schiff zurückgekauft und hier im Hafen als Museumsschiff ausgestellt. Zu guter Letzt machten wir uns auf den Weg zu der Marienkirche. Das Besondere an diesem Gebäude ist der 104 Meter hohe Kirchturm, auf dessen Aussichtsplattform man einen Blick bis hinüber nach Rügen hat. Das einzige Problem bei dieser tollen Sache waren leider nur die unendlich lange Wendeltreppe und die Holzleitern, die man erst einmal überwinden musste, bis man die Aussicht genießen kann. Da ich kein großer Freund von der Höhe und auch mit monotonen Wendeltreppen Probleme habe, habe ich es nicht bis ganz nach oben geschafft, aber laut den anderen lohnt es sich wirklich, sich die Mühe zu machen, nach oben zu klettern. Das war der letzte Punkt auf unserer To-Do-Liste für diesen Tag und wir verabschiedeten uns von Herrn Thormeier. Die meisten machten sich wieder auf den Weg nach Hause, einigen blieben noch bis zum abendlichen Grillen in der Stadt. Aber spätestens, als das Essen anfing, waren alle da und damit neigte sich der dritte Tag unserer Abschlussfahrt zu Ende, was, denke ich jedenfalls, etwas Gutes an sich hatte. Denn an diesem Tag hatten neben Leon, der sich schon auf der Hinfahrt am Knie verletzt hatte, auch Merle und Jenny gesundheitliche Probleme.
Aber dennoch hatten wir noch einen Tag, den Donnerstag, der hoffentlich Besserungen mit sich bringt und den wir voll und ganz nutzen konnten. Genau das taten wir auch, und zwar mit einem Ausflug nach Rügen. Diese Insel ist ein wirklich bekannter und beliebter Urlaubsort mit vielen Campingplätzen und Ferienwohnungen. Außerdem, und das war für uns an diesem Tag interessant, befindet sich auf Rügen, genauer gesagt bei den Kreidefelsen, den Nationalpark Jasmund, der einen der letzten großen Buchenwälder schützt und das Leben darin aufrechterhält.
Am Nationalpark angekommen startete eine interessante Führung durch den Wald des Nationalparks, während der wir auch die Kreidefelsen sehen konnten. Diese Felsen bestehen, wie der Name schon sagt, aus Kreide, aber auch Sand und anderem Gestein, der sich zwischen die Kreideschichten angelagert haben. Diese Kreide ist aber nicht die, die wir aus der Schule kennen, denn sie ist viel zu bröckelig und zerbröselt sehr schnell, sodass man sie nicht auf Tafeln benutzen könnte (in der Schule benutzen wir keine original Kreide, sondern ein Gemisch aus Gips). Nicht nur das haben wir erfahren, sondern auch ein paar Sachen über die örtlichen Fossilien. Wenn man am Strand auf Fossilien trifft, dann meistens auf den Donnerkeil, einem orange-beigen zylindrischen Stein, der eigentlich das fossilierte Innenskelett des Belemniten ist, oder auf Feuersteine, in denen ein Loch ist, die sogenannten Hühnergötter. Auch Seeigel sind hier in der Gegend weit verbreitet.
Nachdem wir wieder beim Zentrum des Nationalparks angekommen waren, hatten wir etwa eine Stunde Zeit, bevor wir uns wieder beim Bus eintreffen mussten. Im Gebäude des Parkes gibt es eine große Ausstellung und ein Kino, in dem ein Film über das Aussterben der Buchenwälder in Europa und vor allem Deutschland thematisiert wird. Damit ließ sich die Stunde sehr gut hinter sich bringen. Gegen eins verließen wir das Gelände und fuhren zum Hochseilgarten Prora, einem Klettergarten in dem Wald bei dem Kilometer langen Gebäude namens Prora, das die meisten sicherlich vom Namen her kennen. Schon vor der Klassenfahrt hatten wir diesen Tag besprochen und drei verschiedene Aktionen für die nächsten Stunden zur Auswahl gehabt: den schon erwähnten Seilgarten, einen Besuch in Binz und einen Spaziergang auf dem Baumwipfelpfad.
Der Seilgarten ist so, wie jeder andere Seilgarten auch. Zuerst gibt es eine allgemeine Einführung und dann kann man sich daran machen, die einzelnen Stationen durchzugehen. Dabei bietet es sich an, der Reihe nach zu klettern, da der Schwierigkeitsgrad sich logischerweise mit jedem neuen Parcours erhöht. Insgesamt gibt es in diesem Seilgarten 10 Stationen, für die wir etwa zwei Stunden Zeit hatten, ehe wir wieder los mussten. Tatsächlich war der Großteil der beiden Klassen beim Klettern, der Rest hat sich auf Binz und den Baumwipfelpfad aufgeteilt.
Franzi hat mir netterweise ein wenig Arbeit abgenommen und ein wenig über den Nachmittag in Binz geschrieben:
Ein Tag in Binz
Am Donnerstag fuhren wir zu viert nach Binz.
Dort haben wir zuerst etwas gegessen, Wir entschieden für einen Italiener und aßen eine Pizza. Anschließend trafen wir uns mit der Parallelklasse, die auch auf Rügen waren und hier in Binz wohnten.
Wir gingen erst einmal zu deren Jugendherberge und guckten uns dort ein wenig um. Anschließend gingen wir etwas an der Strandpromenade lang, kauften uns Crêpes und setzten uns auf eine Bank, um den Ausblick zu genießen. Das Wetter war eigentlich gut, die Sonne schien, nur der Wind war etwas nervig.
Später waren wir noch etwas spazieren, waren einkaufen und sind dann zurück zum Bus gegangen.
Und weil ich auch nicht den Baumwipfelpfad live erleben konnte, hat Luna mit diesen Teil abgenommen und ebenfalls ein wenig darüber geschrieben:
Der Baumwipfelpfad
Dieser besagte Pfad ist ein Holzweg zwischen den Baumwipfeln entlang, an dem es zwischendurch immer wieder ein paar Stationen gibt , an denen man zum Beispiel durch die Menge an Wasser in einem Plastikröhrchen, das in einem Baumstamm befestigt ist, ablesen kann, wie viel Wasser der Baum beinhaltet. Dafür musste man eine Pumpe betätigen, die blau gefärbtes Wasser in das Röhrchen pumpte. Aber auch andere Stationen, an den man unter anderem Bäume bestimmen kann, findet man dort.
Gegen Ende des Pfades geht der Weg schneckenförmig in die Höhe. Oben gibt es Bänke und befestigte Ferngläser, mit denen man bis zum Festland schauen kann. Nachdem man einmal oben entlang gegangen ist, kann man denselben Weg wieder hinunter gehen. Dann geht man noch ein kurzes Stück den Pfad entlang und kann am Ende eine Treppe hinunter gehen.
Nachdem wir unten angekommen waren, hatten wir noch ein bisschen Zeit, um in die dort vorhandene Ausstellung zu gehen oder uns einfach irgendwo hinzusetzen.
Nachdem auch wirklich jeder Schüler wieder im Reisebus saß, machten wir uns wieder auf den Weg zurück zu der Jugendherberge.
Den letzten Tag unserer Abschlussfahrt beendeten wir mit einem kleinen Volleyballturnier. Je sechs Leute aus jeder Klasse (immer drei Mädchen und drei Jungs) spielten gegeneinander. Der Gewinner, in diesem Fall die Mannschaft der 10.4 spielte danach gegen die Lehrer. Aber so richtig feiern konnte niemand, dafür war der Tag zu anstrengend.
Der nächste Morgen kam schnell und alle waren dabei, ihre Koffer und Taschen zu packen, aufzuräumen und zu fegen, um pünktlich fertig zu werden. Gegen halb zehn verabschiedeten wir uns von der Jugendherberge und machten uns auf den Weg nach Hause, wo wir sieben Stunden später auch endlich ankamen und damit unsere Abschlussfahrt offiziell zu Ende war und unser zehntes Schuljahr anfing.