

Kunstprofil-Kurse des 12. Jahrgangs erkunden die ROSEBUSCHVERLASSENSCHAFTEN in Hannover-Ahlem
Eine Industriehalle randvoll mit Sachen, die wie Relikte aus einer anderen Zeit, vielleicht sogar einer anderen Welt erscheinen: Rostiges Gusseisen in allen Formen und Größen, Metallregale und Schienenwagen voll undefinierbarer Gummiteile, zahllose Lazaretttragen, ausrangierte Hinweisschilder, hölzerne Absperrgitter, aufgereihte Sackkarren, sonderbare Gerätschaften, Taue, Stoffballen, Werkzeuge, Glasflaschen, Schuhe und noch viel mehr – dazwischen grobkörnige Großfotos, lebensgroße Gemälde, maschinengeschriebene Namenslisten, metallene Schriftbanner.
Überrascht, irritiert, überwältigt und zugleich fasziniert reagierten die etwa 40 Schülerinnen und Schüler der beiden Kurse des 12er Kunstprofils, als sie am Morgen des 23. Oktober 2017 erstmals das Gesamtkunstwerk ROSEBUSCHVERLASSENSCHAFTEN betraten. Waren von vorherigen Schul-Exkursionen „klassische“ Museumsbesuche hinlänglich bekannt, war dieser Ort doch etwas Anderes: Keine sterilen Ausstellungsräume, keine Objektbeschriftungen, keine „Anfassen verboten“-Hinweise. Stattdessen ein Raum, der zum sinnlichen Erfahren, eigenständigen Erforschen, Entdecken und – wie sich noch zeigen sollte – zum selbst Ausprobieren einlädt.
Nach der Begrüßung durch die Künstlerin Almut Breuste, die mit ihrem Mann Hans Breuste die ROSEBUSCHVERLASSENSCHAFTEN über viele Jahre zusammengetragen hat, stand zunächst eine Erkundungstour in Kleingruppen durch die Berge an unterschiedlichsten Materialansammlungen an. Vereinzelt ließen sich Hinweise ausfindig machen, die inhaltliche Verknüpfungen der Objekte zu konkreten historischen Ereignissen wie etwa zum Nationalsozialismus und zum Holocaust zuließen. Aber Vieles blieb offener, ließ mehrere Deutungen zu und beeindruckte dabei doch stets durch die Materialität der Gegenstände, ihre Oberflächenstrukturen, ihre Anordnung, ihren Geruch und durch ihre rätselhafte Erscheinung im Dämmerlicht der verwinkelten Turbinenhalle. Erste Eindrücke wurden in Fotos festgehalten, Gespräche kamen auf, Fragen, Diskussionen; der Ort weckte Ahnungen, Erinnerungen, Gedankenprozesse – mal vage, mal konkreter.
In einer offenen Gesprächsrunde mit Almut Breuste hatten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, mit der Künstlerin selbst über ihre Arbeit zu sprechen. Sie konnten aus „erster Hand“ erfahren, wie die Arbeiten und schließlich das Gesamtkunstwerk entstanden sind, welche Konzeption zu Grunde liegt oder auch welche Schwierigkeiten bei der Realisation eines solchen Großprojektes auftreten können.
Selbständiges schöpferisches Arbeiten in Teams von zu zwei bis fünf Personen stand als Nächstes auf dem Programm: Aus den gelagerten Materialien durften zeitweise Objekte entnommen und für eine eigene Installation verwendet werden. So entstanden binnen kurzer Zeit gut ein Dutzend unterschiedliche Arbeiten: teils geleitet von Intuition und freien Assoziationen, teils von rationalen Planungsentscheidungen; die eingesetzten Materialien und Kompositionen erwiesen sich als ebenso vielfältig wie die thematische Bandbreite der Werke: Migration, soziale Ausgrenzung, gesellschaftlicher Druck, politische Verfolgung, Kinderarbeit oder auch Fragen nach der heutigen Rolle von Religion wurden in sinnlich reizvollen Installationen aufgegriffen und assoziativ wie emotional spannungsvoll vermittelt.
Nach dem konzentrierten zeichnerischen Erfassen der eigenen plastischen Arbeit erfolgte ein gemeinsamer Rundgang zu den einzelnen Arbeiten. Die Teams stellten ihre Werke vor, tauschten sich in der Gemeinschaft zusammen mit Almut Breuste über ihre Vorgehensweisen aus und reflektierten über ihre Konzeptionen.
Zum Abschluss wurden die Installationen wieder abgebaut und die Materialien an ihre Ursprungsorte im Gesamtkunstwerk zurückgebracht. Nach mehr als drei Stunden endete für die Schülerinnen und Schüler der eindrucksvolle Besuch dieses besonderen Kunstortes und entließ sie mit unerwarteten lebhaften Eindrücken in den regnerisch-grauen Herbstnachmittag.