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RBG-Beitrag zur Gedenkveranstaltung am und zum 9. November

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RBG-Beitrag zur Gedenkveranstaltung am und zum 9. November

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RBG-Beitrag zur Gedenkveranstaltung am und zum 9. November

Am 9.11.2022 wirkte der Gesellschaftskurs (13. Jahrgang) der RBG von Herrn Pahl an der Gedenkveranstaltung der Stadt Hildesheim zur Reichspogromnacht mit. Es folgen die Redebeiträge der Schüler bei der Veranstaltung an der unter anderem auch der Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer teilnahm. (Fotos Marcel Pahl)

Lea:
„Ich sterbe für die (deutsche) Freiheit, für die ich gekämpft habe“,

Paula:
so lauteten die letzten überlieferten Worte Robert Blums bei seiner Hinrichtung am 9. November 1848.
In seiner später verbotenen Zeitschrift „Sächsische Vaterlandsblätter“ bot der spätere Fürsprecher der liberalen Bewegung des Vormärz‘ in der ersten deutschen demokratischen konstituierenden Nationalversammlung auch politisch aktiven Frauen wie etwa Louise Otto Peters eine öffentlichen Rahmen Kritik zu äußern und Reformen einzufordern.
Seine eigenen Forderungen nannte man „radikaldemokratisch“.
Mit dem historischen Wissen von heute lassen wir ihn fiktiv weiter resümieren:

Lea:
Ich habe für die Freiheit gekämpft:

  • Freiheit im Sinne demokratischer Rechte für alle:
  • Ohne eine aristokratische Monarchie,
  • ohne einen Alleinheinherrscher, den eine vermeintlich göttliche Vorsehung auserwählt hat.

Paula Müller & Lea Eberhardt

Jan Luca:
9. November 1918, Berliner Tageszeitung:

Luis und Maurice:
„Der Kaiser hat abgedankt“

Jan Luca:
Reaktion Oskar Münsterbergs in seinem Tagebuch:

Luis und Maurice:
„Endlich neue Zeitungen […] Alle atmen auf! […] Es lebe die Republik
Was wird sich aus dem Wirrwarr gestalten, wie wird die weitere Entwicklung?“

„In der Potsdamerstraße stehen […] Menschen und sprechen über Politik. Ein in Deutschland ungewohntes, in den demokratischen Ländern England und Amerika ganz alltägliches Bild. [...]“)

Jan Luca Brand, Luis Bartkowiak & Maurice Schaare

Jara-Marei:
Als Hitler am Morgen des 9. November 1923 erkannte, dass der Versuch des Putsches am Abend bzw. über Nacht gescheitert war, versuchten seine Anhänger es am 9. November mit einem Marsch auf die Münchner Feldherrenhalle, der im Kugelhagel sein jähes Ende fand.

Der Versuch die parlamentarische Demokratie zu stürzen scheiterte, Hitler wurde verhaftet.
Die Republik war wehrhaft! War ...

10 Jahre später ist Hitler in Deutschland an der Macht, der 9. November wird als Tag für die vermeintlichen Märtyrer des nationalsozialistischen Aufstandes umgedeutet.
Zeitzeugen wie Otto Gritschneder erinnern sich in späteren Interviews an „Spuk“ und „Kult“.

Jara-Marei Auf dem Berge Textgrundlage: Ainhoa Gutacker

Eugenia:
1938, nicht in Wien, Berlin oder München, sondern genau hier in Hildesheim, hier brannte am 9. November 1938 eine Synagoge nieder.

Diana:
Die in Hildesheim geborene Ruth Loeser, später Krammer, erlebte im Haus ihrer Großeltern eine Kindheit, die erfüllt war von Geborgenheit, seit 1933 aber auch ängstlich von dem Wunsch erfüllt, abends mit Sicherheit ins Bett gehen zu können, dass auch am nächsten Tag, die Welt noch in Ordnung wäre, und sie ganz normal zur jüdischen Schule gehen könne.

Auf ihrem Schulweg am Morgen des 10. November 1938 bewerfen Sie die Leute mit Gegenständen und rufen ihr zu:

Eugenia:
Deine Synagoge brennt!

Diana:
Die Synagoge befand sich genau gegenüber ihrer Schule und als sie um sie um die letzte Ecke ihres Schulweges bog, offenbarte sich ein Anblick, den sie nie mehr vergessen hat.
Die Synagoge war nicht groß, aber für sie unglaublich schön gewesen.

Eugenia:
Plötzlich packt sie ein Mann an der Schulter.
Er warf sie hierauf regelrecht in ihre Schule.

Diana:
Ihr gesamtes Leben konnte sie es nicht mehr leiden, wenn jemand sie an der Schulter berührte.

Eugenia:
Die Schülerinnen und Schüler wurden gezwungen durch die Fenster der Schule anzusehen, was gegenüber in der brennenden Synagoge vor sich ging. Vielen standen die Tränen in den Augen, erinnert sich später die damals noch zehnjährige Ruth.
In hebräischer Redensart kommentierte der Lehrer die Schrecken mit den Worten:

Diana:
„Es hilft nicht zu weinen“. „Es wird schon gut gehen.“

Eugenia:
Dann aber kam ein Mann, der von den SS-Leuten durchgelassen wurde, mit einem Brief in die Schule. Er las eine Liste vor, nach der etwa zwölf Kinder mit ihm gehen sollten. Unter ihnen auch Ruths beste Freundin Gusti. Ruth hat sie nie wieder gesehen, sie weiß nicht, was aus ihr geworden ist, sie war plötzlich für immer aus ihrem Leben verschwunden.
Was Ruth Loeser blieb, waren die traumatischen Erinnerungen,  die sie fortan ihr Leben begleitet sollten.

Eugenia Bernsdorf & Diana Graumann

Felix:
1989: Die zweite Diktatur auf deutschem Boden versucht sich zu reformieren
(und leitet damit ihren eigenen Untergang ein).
Günter Schabowski:

Leah:
„[…] wir haben uns entschlossen, es jedem Bürger zu ermöglichen aus der DDR über Grenzübergangsstellen auszureisen. […]
Das tritt nach meiner Kenntnis sofort, unverzüglich...“

Felix
Reaktion der in Westberlin lebenden Italienerin Christina Muschini Dubios:

Leah:
„(Ähm) am 9. November war ich zuhause und hörte das Radio und es war plötzlich diese Revolution herbei gekommen […]. Und diese absolute Euphorie! […] Es war wie eine große energetische Seifenblase (ha). Also es war […], ein fantastischer Tag“

Felix Hieber &Leah Janectzki

Jara-Marei:
Der 9. November ist ein besonderer Tag in der deutschen Geschichte (, positive und negative Erinnerungen prägen diesen Tag). Lange wurde und wird zum Teil bis heute diskutiert, ob dieser Tag nicht der deutsche Nationalfeiertag sein solle.

2018 appellierte Bundespräsident Steinmeier, das Gedenken der revolutionären Ereignisse von 1848, 1918 und 1989 zum Anlass zu nehmen, um letztlich eine siegreiche Demokratie zu feiern.

Der Historiker Heinrich August Winkler mahnte dagegen schon im Jahre 2000, der negativ besetzen Erinnerungen der Jahre 1848, 1918
und natürlich insbesondere jener, weswegen wir uns heute hier eingefunden haben, des Gedenkens an die Opfer der Pogromnacht 1938.
Trauer, Erschütterung und das Gedenken an das Leid seien unvereinbar mit einem Feiertag für eine Demokratie.

Es aber auch jener Historiker Winkler, der in seiner Theorie zum sogenannten „deutschen Sonderweg“ meint, dass es in Deutschland an demokratische Tradition gemangelt habe, fehlende demokratische Erinnerung gewesen sei, was den Weg in die „deutsche Katastrophe“ 1933-1945 und somit auch zu den Schrecken der Reichspogromnacht und deren Opfer ebnete.

Vor diesem Hintergrund stellten wir uns im Unterricht die Frage:
Wie angemessen an die Ereignisse des 9. November erinnern?

Cecilie:
An der RBG lautet unser Schulmotto „Wir miteinander“ und wir stehen heute hier vereint als Juden, Christen oder welcher Religion auch immer in einem vereinten demokratischen Deutschland, wollen antijüdischen und damit auch antidemokratischen Tendenzen heute und in Zukunft die Stirn bieten. Das ist nicht selbstverständlich! Für eben dieses Bewusstsein braucht es unserer Meinung nach das Gedenken an die demokratische Tradition in diesem Land; das Gedenken an Ereignisse und Personen, die unsere heutige pluralistische Gesellschaft ermöglicht haben, die, wie es Robert Blum am 9. November 1848 selbst ausgelegt wird, „für die Freiheit gekämpft haben“.
Wir waren uns aber auch einig, dass man den 9. November nicht (ausschließlich) feiern kann;
Der blinde Hass rassischen Antisemitismus‘, der in der Reichspogromnacht seinen vorläufigen Höhepunkt an Radikalität fand, lässt dies schlicht pietätlos erscheinen.

Wir wollen hier an dieser Stelle der gebürtigen Hildesheimerin Ruth Loeser, spätere Krammer, stellvertretend für die zahlreichen Opfer gedenken; Wir wollen wissen, an was sie sich erinnerte. Wir werden sie nicht verschwinden lassen, wie andere einst ihre Freundin, von der man plötzlich nichts mehr wusste, denn indem wir das Gedenken an sie hoch halten, können wir gegen blinden Antisemitismus sensibilisieren. Unsere demokratische Gesellschaft lebt von der Mitwirkung und Gleichberechtigung all ihrer Mitglieder!

Stärken wir also unsere demokratische Gesellschaft durch das Gedenken an die Opfer des 9. November 1938!

Wir wollen diesen Tag nicht in Feierlaune, so doch aber im Gedenken und doch auch im Sinne unseres Bundespräsidenten würdigen:

Stärken wir die demokratische Tradition in diesem Land durch das Gedenken.

Jara-Marei Auf dem Berge & Cecilie Kotyrba