von Matthias Reisener
Die AG Beth-Shalom gewinnt am 06.02.2024 den 1. Preis bei dem neu erschaffenen „Guy Stern Preis“ von Eintracht Hildesheim. Eine große Freude und Ehre ist das für uns und die RBG! Das Preisgeld von 2500,- € werden wir gut für unsere Arbeit verwenden. In der Jury, die die ersten drei Preisträger bestimmte, waren Funktionäre und Vorsitzende von Eintracht Hildesheim, aber auch die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Frau von Eickstedt und der Imam der Hildesheimer Moschee, Herr Tuncay sowie andere verdiente Hildesheimerinnen und Hildesheimer. Der Oberbürgermeister unserer Stadt, Herr Dr. Ingo Meyer, ist Schirmherr dieses Preises, er hielt die Eingangsrede, nachdem alle durch das Vorstandsmitglied Clemens Löcke humor- und schwungvoll begrüßt worden waren.
Den 3. Preis errang die Gudrun-von-Pausewang-Schule mit dem farbenfrohen Projekt "Regenbogen-Vielfalt". Die Schülerinnen und Schüler dieser Schule begeisterten und berührten die Anwesenden mit der Darbietung eines Songs.
Der 2. Preis wurde der Richard-von-Weizsäcker-Schule einem"Rap gegen Rassismus" zugestanden. Auch dieses Projekt erhielt großen Beifall und Anerkennung.
Unsere AG besteht zur Zeit im Wesentlichen aus den unermüdlichen Mitgliedern Janne Bergmann, Mia Garbade und Marta Kuhn, die alle aus dem 7. Jahrgang sind. Vielen Dank für euren großenartigen Einsatz! Geehrt wird aber nicht nur die Arbeit der aktuellen AG. Es wird das gesamte Projekt Beth-Shalom AG mit diesem Preis geehrt. Diese AG ist seit über 40 Jahren an der RBG aktiv. Besonders der Gründer, der Lehrer Hans-Jürgen Hahn, hat das Verdienst, diese besondere Gemeinschaft 1981 gegründet zu haben. Er hat damit etwas Großes in Gang gesetzt, denn im Laufe der Jahre hatte diese AG über 100 aktive Mitglieder und es wurden mehr als 3000 Menschen über den jüdischen Friedhof in der Peiner Straße geführt. Herr Hahn startete dieses Projekt und leitete es über 20 Jahre mit größtem Engagement. Als er pensioniert wurde, übergab es dann Herrn Christian Augustin. Herr Augustin führte das Projekt erfolgreich weiter, erstellte z.B. eine Daten-CD mit allen Gräbern auf dem jüdischen Friedhof. Im Jahre 2011 wurde diese tolle AG dann an mich, Matthias Reisener, übergeben, da Herr Augustin eine Stelle an einer anderen Schule antrat. Diese Arbeit macht mir sehr viel Spaß und ich erlebe hier, wie auch die mittlerweile auch zahlreichen Schülerinnen und Schüler der AG, viele schöne Momente und Highlights. Ein sehr strahlendes war nun der Gewinn des Guy Stern Preises 2024.
Guy Stern ist letztes Jahr leider im Alter von 101 Jahren in Detroit, USA, verstorben. Er hat sich gefreut, dass ein Preis nach ihm von seinem ehemaligen Verein „Eintracht Hildesheim“ ausgelobt worden ist. Das bestätigte seine Frau, denn als er davon erfuhr, soll er aufgesprungen sein und er gejubelt haben. Dieses berichtete der Eintracht-Präsident Herr Rolf Altmann, der die Laudatio für die Beth-Shalom AG hielt. Herr Altmann war ein guter Freund von Guy Stern, das merkte man deutlich bei seiner bewegenden Rede.
Wer war Guy Stern? Er wurde als Günther Stern in Hildesheim am 14.01.1922 geboren und wuchs auch hier auf. Seine Familie wohnte in der Hildesheimer Innenstadt. Er spielte gern Fußball, wie viele Jungen (damals spielten die Mädchen noch nicht Fußball, so viel ich weiß…), er war Mitglied bei „Eintracht Hildesheim“. Aus diesem Verein wurde er aber geschmissen, nicht wegen Unsportlichkeiten, oder wegen anderer Vergehen seinerseits. Er wurde rausgeschmissen, weil er Jude war. Es war zur Zeit des nationalsozialistischen Terrorstaats in Deutschland von 1933 – 1945. In diesem Unrechtssystem durften Juden nicht Mitglieder in einem deutschen Sportverein sein. Auch vieles andere war jüdischen Menschen nicht mehr erlaubt. Der Besuch eines Schwimmbades, Kino- und Theaterbesuche, Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und vieles mehr. Schließlich wurden jüdische Mitbürger verächtlich gemacht, verprügelt, verhaftet, verschleppt. Es wurden bis 1945 über 6.000.000 (6 Millionen!) Menschen von den Nazis ermordet, nur weil sie Juden waren! Leider waren auch Günther Sterns Bruder, seine Mutter und sein Vater unter den Opfern. Günther konnte 1937 zu einem Onkel in die USA flüchten. Er war somit in Sicherheit. Seine Familie konnte er leider nicht nachholen, obwohl er es immer wieder versuchte. Er erfuhr von ihrem Tod im Warschauer Ghetto, aber erst nach dem Krieg.
In den USA änderte er seinen Namen von Günther zu Guy, weil seine damalige Freundin seinen Namen nicht aussprechen konnte. Er studierte in den USA und wurde nach dem Krieg Professor für deutsche Sprache. Vorher kam er aber als US-Soldat, als sogenannter Ritchie-Boy, nach Deutschland zurück und trug dazu bei, die Nazis zu besiegen.
Obwohl ihm in Deutschland, auch in Hildesheim, so viel Schlimmes und Verabscheuungswürdiges widerfuhr, streckte er seine Hand wieder freundschaftlich aus. Eine große Geste von einem großen Mann, der körperlich allerdings eher klein war. Guy Stern wurde Ehrenmitglied bei seinem alten Verein „Eintracht Hildesheim“ und Ehrenbürger der Stadt Hildesheim. Mehrmals besuchte er Hildesheim und Eintracht und traf hier alte Freunde, die nun wieder neue Freunde wurden, wieder. Er war z.B. da, als das Denkmal am Lappenberg 1988 in Hildesheim eingeweiht wurde. Dieses Denkmal steht am Platz der ehemaligen jüdischen Synagoge, die am 9. November 1938 von Hildesheimer Nazis niedergebrannt wurde. Er hielt an diesem Platz auch 2015 eine Rede und die Beth-Shalom AG hatte die Ehre, ihn auf dem jüdischen Friedhof in der Peiner Straße zu treffen und er erzählte uns von seiner Kindheit in Hildesheim und von der zunehmenden Ausgrenzung. Jedes Jahr gedenkt die Stadt Hildesheim am 9. November der Zerstörung der Hildesheimer Synagoge und an die Verbrechen der Nazis von 1933 bis 1945. Am 9. November 2023 war Guy Stern leider nicht mehr dabei, er war er bereits sehr krank. Im Geiste der vielen Teilnehmenden bei dieser Veranstaltung im letzten Jahr ist er aber gewiss doch dabei gewesen. Es bleibt wichtig an diese Zeiten zu erinnern, zu warnen und zu mahnen, dass Ausgrenzung, Verfolgung, Deportation und Mord an Juden und Jüdinnen nicht mehr geduldet werden.
Aber auch andere Minderheiten müssen geschützt werden. In der Pressemitteilung von Eintracht Hildesheim zum Guy Stern Preis heißt es:
„Die Ziele des Guy-Stern-Preises wurden klar definiert: Dem Antisemitismus, Rassismus,
Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit entgegenwirken und gleichzeitig Toleranz, Respekt,
Altruismus und demokratisches Verständnis fördern. Prof. Dr. Guy Stern, Ehrenbürger der Stadt
Hildesheim, setzte sich als Brückenbauer insbesondere für die jüngere Generation ein, und die
Erinnerung an ihn soll lebendig bleiben.“
Darum soll es diesen Preis auch im nächsten Jahr geben. Seien wir also gespannt auf die nächsten Projekte und Eingaben und auf die Teilnehmenden und Gewinner des „Guy-Stern-Preises 2025“, denn das Engagement der Hildesheimer Gemeinschaft geht weiter!
Links:
Bewerbungsschreiben
Eintracht Hildesheim Pressemitteilung
Wikipedia