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Beispielhafte Demokratiebildung

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Beispielhafte Demokratiebildung

von Jan-Felix Kramer, Oberstufenleiter RBG

Der Robert-Bosch-Gesamtschule gelingt eine schulweite, tief gehende Auseinandersetzung mit Rassismus

Als UNESCO-Schule sind die Demokratiebildung und die Auseinandersetzung mit Rassismus per se ein immer wiederkehrendes Thema in der RBG. Im Zusammenhang damit, dass die Schule in der jüngeren Vergangenheit zusätzlich auf Initiative der SV „Schule mit Courage“ bzw. „Schule gegen Rassismus“ wurde, haben nun wiederum Schüler:innen der SV zusammen mit der SV-Lehrkraft, Frau Ludewig, eine Aktion zum Alltagsrassismus durchgeführt.

Dafür wurde am Dienstag, den 12. September 2023, die gesamte Oberstufe der RBG zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Podiumsteilnehmer:innen waren neben Schüler:innen und Lehrkräften mit Migrationshintergrund der Bundestagsabgeordnete Herr Westphal, ein Berater zu Rechtsextremismus Herr Ramnitz sowie der Oberstufenleiter der RBG.

Die kommissarische Schulleiterin Frau Dohmen eröffnete die Veranstaltung und betonte zu Beginn, dass es wichtig sei, sich nicht nur mit einer „Plakette“ zu schmücken, sondern sich mit Rassismus tatsächlich auseinanderzusetzen.

Um es nicht bei einer – für die zuhörenden Schüler:innen – rein passiven Diskussion zu belassen, sondern um alle zu einer Auseinandersetzung mit Alltagsrassismus zu bewegen, wurde sich im Vorfeld in den Kursen und Klassen Zeit genommen, sich mit Leitfragen dem Thema zu nähern, eigene Rassismuserfahrungen zu äußern und zu reflektieren und Fragen vorzubereiten.

Während der Podiumsdiskussion stellten die Podiumsteilnehmer:innen, befragt von moderierenden Schüler:innen der SV, dann ihre Definitionen von Rassismus vor, stellten Fehlentwicklungen in der Gesellschaft am Beispiel der AFD dar und berichteten auch von eigenen Rasssismuserfahrungen.

Bewegend wurde es dann, als Schüler:innen des Podiums und des Publikums von ihren eigenen Rassismuserfahrungen, bei denen sie selber Opfer wurden, berichteten. Geschildert wurden Situationen aus dem Alltag, der Grundschule, aber auch ihrer Zeit an der RBG. Diese Schilderungen zeigten, wie stark Verletzungen durch rassistisches Verhalten sind. Die Opfer betonten, dass sie immer – auch in der Schule – das Gefühl hatten, dass nichts unternommen würde.

Es zeigt sich in den Reaktionen viel Betroffenheit. Aber auch, dass anscheinend auch der Umgang mit solchen Vorfällen diskutiert und verändert werden muss.

Das Publikum ist nun voll in die Diskussion involviert: Es geht um die Frage, inwieweit rassistische Wörter, es geht um das N-Wort, in Unterrichtszusammenhängen genutzt werden dürfen. Hier zeigen sich unterschiedliche Meinungen, auch bei den Podiumsteilnehmern. Eine dann folgende Äußerung eines Schülers unter bewusster Nennung des N-Wortes führt zu Unverständnis, aber auch Gelächter, und zu einer weiteren Verstärkung der Diskussion. Auch hier zeigen sich – wenn es dann um tatsächliche Vorfälle oder damit zusammenhängende rassistische Begriffe geht – die starke Emotionalität und auch die Schwierigkeit im tatsächlichen, praktischen Umgang.

Die perfekt organisierte Veranstaltung ist an dieser Stelle nicht zu Ende. Da durch die oben beschriebene bewusst durch die Planung angelegte Auseinandersetzung mit konkreten Rassismuserfahrungen weiterer Gesprächsbedarf anzunehmen war, wurde schon im Vorfeld die Stunde nach der Veranstaltung als Verfügungsstunde geplant, in der die Lehrkräfte in ihren Gruppen über die Veranstaltungen reden konnten.

Alle Lehrkräfte berichteten danach von „Selbstläufern“: Das Bedürfnis, über die Veranstaltung zu sprechen, ist groß. Die Schüler:innen diskutierten in den Kursen recht offen. Dabei wurde deutlich, dass es auch unter den Schüler:innen ganz unterschiedliche Meinungen zum Thema Rassismus gibt, was wiederum zu vertieften, verschiedene Perspektiven einnehmenden Diskussionen führte.

Am nächsten Tag sind die Schüler:innen in ihren Kursen weiterhin aufgebracht. Es wird der Artikel über die Veranstaltung aus der örtlichen Lokalpresse (Hildesheimer Allgemeine) unter den Schüler:innen geteilt. Die Schüler:innen diskutieren unter sich und sprechen die Lehrkräfte an: Sie sind erschüttert von dem Artikel, der alles mehr oder weniger darauf reduziert, dass die RBG ein Rassismusproblem habe. Die Schüler:innen, welche ihre persönlichen Erfahrungen emotional schilderten, sind mit Namen und großem Foto abgebildet. Eine Äußerung der Schülerin bildet die Schlagzeile. Sie selbst ist erbost über diese Darstellung. Alle Schüler:innen, die uns Lehrkräfte ansprechen, können den Artikel nicht nachvollziehen. Sie halten dies für „BILD-Stil“.

Es zeigt sich, dass die Schüler:innen ein Bewusstsein für objektive oder tendenziöse, reißerische Berichterstattung haben. Es folgen Diskussionen über die Funktion der Presse in den Kursen. Und dass diese auch selbst ihr Vertrauen verspielen kann. Die SV-Arbeitsgruppe „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ nimmt die Diskussionen und die beschriebenen Vorgänge zum Anlass, einen Leserbrief an die HAZ zu senden. Dieser wurde auch nach über einer Woche bisher nicht abgedruckt.

Am nächsten Tag ist der Eingang der RBG voll plakatiert von einer linken Gruppierung, welche die rassistischen Vorfälle an der RBG anprangert und Veränderung fordert. Sie zitiert dabei aus dem besagten Zeitungsartikel. Man kann es der Gruppierung nicht übelnehmen. Hätte sie so auch agiert, wäre sie dabei gewesen? Oder bei einer angemessenen Darstellung in der Presse?

Insgesamt hat die Veranstaltung somit eine sehr gelungene Auseinandersetzung mit dem Thema Alltagsrassismus ausgelöst. Diese ist nicht abgeschlossen. Sie kann es nicht sein. Jedoch haben wir es geschafft, die gesamte Schulgemeinschaft aufzurütteln, wachsam zu sein, sich selbst und andere zu hinterfragen.
Die Robert-Bosch-Gesamtschule blickt mit Stolz auf die Veranstaltung zurück. Die Schulgemeinschaft bedankt sich bei allen Beteiligten.

Unveröffentlichter Leserbrief der Arbeitsgruppe, die die Podiumsdiskussion organisiert hat